Besuch der Naturwacht-Fachtagung des Bundesverbandes Naturwacht & Generalversammlung der Swiss Rangers 14. bis 17. März 2023 im grenzüberschreitenden Landschaftspark Wiese
«Ranger überschreiten Grenzen»
Bericht und Fotos: Krischa Majdura
Tagungsort:
Grosser Festsaal Landgasthof Riehen
Baselstrasse 38, 4125 Riehen
Teilnehmer der Winti Ranger:
Danièle, Judith, Pia, Krischa, Walo, Max, Erwin
nicht auf dem Bild: Damaris, Salome (nur 15.03.23)
Teilnehmer von Stadtgrün Winterthur: Giovanni, Gregor
Dienstag, 14. März 2023
Gemeinsam reist unsere Gruppe nach Riehen. Nach dem Zimmerbezug im Hotel geht es gleich weiter zur Jugendherberge Lörrach auf deutscher Seite. Bereits beim Bahnhof Stetten treffen wir auf deutsche Ranger, gut erkennbar an ihren Uniformen und teils riesigen Rucksäcken. In der Jugi bekommen wir nach der Registrierung einen Bändel mit unseren Namen, Einsatzort sowie Fahrkarte für den ÖV. Das Namensschild erweist sich als ideal beim Kennenlernen der Teilnehmer. Aus allen Gegenden Deutschlands sind Ranger angereist, grosses Hallo und fröhliches Wiedersehen. Beim gemeinsamen Nachtessen herrscht muntere Stimmung sowie Vorfreude auf die gemeinsamen Tage. Wir Winti Ranger als Freiwillige sind etwas Exoten in diesem Kreis der hauptberuflichen Ranger-Profis.
Mittwoch, 15. März 2023, Themen
- Binationaler Landschaftspark Wiese, Vorstellung des Gebietes und des Rangerdienstes
- Der Rangerdienst in Deutschland und der Schweiz, Gemeinsamkeiten und Unterschiede
- Ranger an ihren Grenzen, Rückblick auf die Corona Pandemie
- Grenzüberschreitungen – was darf ich und was nicht?
- Generalversammlung der Swiss Rangers 2022
- Kurzführung durch den Landschaftspark Wiese
- Kulinarischer Abend der Regionen im Hadid Pavillon Landschaftspark Wiese
Punkt 9:00 Uhr eröffnen Carsten Wagner, Vorsitzender des Bundesverbandes Naturwacht, und Murièle Jonglez von Swiss Rangers die Tagung mit ca. 150 Teilnehmern aus Deutschland und der Schweiz. Am Anfang wird mit einer Schweigeminute den 150 Rangern weltweit gedacht, die im letzten Jahr während oder wegen ihres Einsatzes für die Natur ihr Leben verloren haben. Diese Geste ist sehr berührend und zeugt vom grossen Geist der Rangergemeinschaft. Zudem wird für die Angehörigen der Opfer Geld gesammelt, um die materielle Not zu lindern.
Es folgen Grussworte von den Vertretern der Stadt Basel, des Landes Baden-Württemberg, der Gemeinde Riehen, Bürgermeister Weil am Rhein sowie Pro Natura Basel. Alle berichten über den jahrelangen Einsatz für die Schaffung des grenzüberschreitenden Landschaftsparkes Wiese, eine unverbaute Ebene zwischen Lörrach, Riehen, Basel und Weil am Rhein. Dieses Gebiet ist für die Trinkwasserversorgung von grosser Bedeutung, werden mit diesem Wasser ca. 260’000 Bewohner von Basel, Weil am Rhein und im südlichen Markgräferland versorgt. Bei dieser Ebene handelt es sich um das ehemalige Schwemmland des Flusses «Wiese», die vom Schwarzwald kommend in Kleinhünigen in den Rhein mündet. Für die Bevölkerung ist diese Ebene ein wichtiges Natur- und Naherholungsgebiet. Spaziergänger, Jogger, Velofahrer, Hündeler und weitere Benutzer teilen sich diese grosse Fläche.
Die verschiedenen Vertreter betonen zudem die Wichtigkeit, weitere wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu schaffen, zu verbessern und zu schützen. Unterschiedliche Kulturen, Gesetze, grosser Nutzungsdruck durch 1 Mio. Einwohner, stark wachsender Wirtschaftsraum, das sind die Herausforderungen für den Landschaftspark Wiese. Der Ranger als Vermittler zwischen Natur und Mensch leistet hier wertvolle Arbeit, nicht mit dem «Feuerschwert» sondern mit verständlicher Information.
Rückblick Corona-Zeit: 50 % mehr Besucher in den Naturschutzgebieten, zudem neue Besucher (z.B. Decathlon Camping, Partyvolk etc) und Sportarten. Und dies Sommer und Winter = mehr Konflikte. Die Überflutung der Besucher wurde von der Politik zu wenig wahrgenommen und erschwerten die Ranger-Arbeit enorm.
Frau Dr. Gertrud Hein hält ein fulminantes Referat über Grenzüberschreitungen und «was darf ich als Ranger und was nicht»? Viele Verhaltensweisen stammen aus der Steinzeit, die Menschen wollen Natur ohne Reglementierung erleben, Naturschutzgebiet = Spielwiese, Reaktion: fliehen oder Kampf? Urinstinkte Hunger, Durst, Spassbremse, Kontrollitis etc. beachten und genau abchecken, entscheiden ob Vernunft oder Gewalt, Eisbergsituation vor Augen halten.
GV Swiss Rangers 2022: Protokoll, Rechnung, Wahlen etc wurden genehmigt. Wichtiges Traktandum war die eidgenössische Berufsanerkennung und die beiden Wege dorthin. Die Vor- und Nachteile wurden von deren Vertreter Oda Umwelt und Bildungszentrum Wald Lyss (BZW Lyss) in Detail erläutert. Diese Varianten werden diskutiert:
- Als Verband gemeinsam mit anderen nahestehenden Organisationen eine Trägerschaft mit dem Ziel der Anerkennung bilden
- Zusammenarbeit mit der «Organisation der Arbeitswelt Umwelt»
Beide Wege sind sehr zeit- und kostenintensiv und es muss seriös abgeklärt werden, welcher Weg für Swiss Rangers optimal ist.
Nach der Kurzführung durch den Landschaftspark Wiese geht es zum legendären Kulinarischen Abend der Regionen im Hadid Pavillon.
Bevor das Buffet eröffnet wird, gibt es noch eine Überraschung in Basler Manier: Zwei Tambouren und drei Pfeiffer spielen auf und verbreiten postfasnächtliche Stimmung. Grosser Applaus für das tolle Konzert.
Sturm auf das Buffet: Aus allen Landesteilen locken die unterschiedlichsten Spezialitäten zum Verzehr. Verschiedene Brote und Aufstriche, gekochte, geräucherte Wurst-, Fleisch- und Fischspezialitäten, Käse, Spreewaldgurken, Senfspezialitäten, diverse Salate, Kuchen und Torten, Gebäck, Süssigkeiten, Biere, Schnäpse. Ideale Zutaten für ein fröhliches Festessen und einen gemütlich-geselligen Abend.
Donnerstag, 16. März 2023, Themen
- Mitgliederversammlung Bundesverband Naturwacht
- Ranger in der Stadt, Stadtnatur-Ranger in Berlin
- PhenoRangers, Monitoring- und Sensibilisierungsprojekt in der Schweiz
- Wiesevital, anstehendes Revitalisierungsprojekt der Wiese
- Zweite Kurzführung durch den Landschaftspark Wiese
- Gruppenfoto
- Abschluss und Nachtessen im Hadid Pavillon
Obwohl wir Winti Ranger zur dieser Mitgliederversammlung eingeladen wären, machen einige von uns einen Ausflug nach St. Chrischona, einem Weiler oberhalb Riehen und der höchste Punkt (522 m) vom Kanton Basel-Stadt. Hier geniessen wir die Sicht auf Basel, Vogesen und Feldberg. Gemütlicher Spaziergang hinunter nach Riehen, vorbei am stattlichen Wenkenhof, einem wunderschönen Ensemble mit Parkanlage, Reithalle, Villa und Aussichtsterrasse.
Am Nachmittag Stadtnatur-Ranger in Berlin: als Projekt gestartet, dank viel Öffentlichkeitsarbeit jetzt im Dauerbetrieb, dank Corona bekannt geworden und geschätzt, erfolgreiche Schnittstellen Bildung, Aufklärung und Fortbildung. Zudem viele Mitarbeiter vom FÖJ, dem freiwilligen ökologischen Jahr, das in Deutschland absolviert werden kann und sich grosser Beliebtheit erfreut.
PhenoRanger: Erfassen der unterschiedlichen Entwicklungsstadien von Flora und Fauna ergeben Langzeitdaten für das Klima. Beginn der Kirschenblüte wird in Japan seit Jahrhunderten aufgezeichnet. Interaktive Exkursionen zu saisonalen Naturphänomenen, viele Daten = gute Aussagemöglichkeiten.
Siehe: inaturalist.org Forschung mit Smartphone, gbif.org, Global Biodiversity Information Facility, neue Qualität = in Echtzeit beobachten, Vernetzung global, nicht alleine, Artenvielfalt weltweit, Ziel ist, die Sensibilisierungen vorantreiben.
Wiese vital: Revitalisierung Wiese, sanierungsbedürftiges Flussbett, Verbreiterung der Niedrigwasserrinne, Grundwasserschutz, bei Hochwasser = Gefährdung des Trinkwassers, Besucherlenkung, Erholung am Gewässer, offene Vegetation und punktuelle Aussichtsplattformen, dicht gestaltete Vegetation, Koexistenz erhalten am Weg. Realisierung ab Herbst 2025, Dauer ca. 10 Jahre für 4,5 km Flusslänge.
Nochmals Kurzführung durch den Landschaftspark mit Ziel Hadid Pavillon. Nach dem Gruppenfoto letztes gemeinsames Nachtessen und erste Verabschiedungen.
Freitag, 17. März 2023, zur Wahl stehen diese Fachexkursionen
- 1, Landschaftspark Wiese (CH): Die Ersatz-Auen, die das Trinkwasser für die Region bereitstellen
- 2, Biosphärengebiet Schwarzwald (D): Flora, Fauna und Nutzungsgeschichte auf dem Belchen erleben
- 3, Naturschutzgebiet Wildenstein (CH): Eine kulturhistorische Zeitreise durch das Leben der Wildensteiner Eichen mit Geraldine Kurmann und Alain Chambovey vom Naturschutzdienst Baselland)
- 4, Naturschutzgebiet Petit Camargue Alsacienne (F): Ein Stück Rheinaue in der Oberrheinebene, der einst grössten Auenlandschaft Mitteleuropas
Giovanni, Pia und ich entscheiden uns für das Naturschutzgebiet Wildenstein. Ein Reisecar fährt uns in die Nähe von Bubendorf und lässt uns beim Ausgangspunkt unserer Wanderung aussteigen. Hier werden wir von Geraldine Kurmann und Alain Chambovey vom Naturschutzdienst Baselland empfangen. Von diesen beiden engagierten Ranger erfahren wir viel Wissenswertes über dieses Gebiet und ihre Arbeit. Schon bald setzt sich unser Trupp aus ca. 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Bewegung und marschiert flott dem Fluebachtobel entlang. Bald geht es steil hoch zum Sormattfall. Hier fällt das Wasser fällt in zwei Stufen über einen vorgelagerten Felsen über eine Art Tuff-Stalagmit in ein kleines Becken. Wildromantisch ist es hier, ideal für eine kurze Rast samt geologischen Infos. Bereits jetzt ist das Schloss durch die Bäume auszumachen und wir erklimmen die letzten Höhenmeter.
Hier empfängt uns Remigius Suter. Als versierter Historiker erzählt er uns die bewegende Geschichte dieses stattlichen und gut erhaltenen Schlosses resp. Höhenburg mit dem massiven Turm, urkundlich erwähnt im 13. Jahrhundert, bis zum heutigen Tag. Neugierig besteigen wir den Turm und staunen über die dicken Mauern, gut erhaltenen alten Holzdecken und Wandmalereien. Von hoch oben blicken wir über diese Schlossanlage mit dem externem Bauerngehöft.
Auf dieser 500 m hohen Hochebene wurde früher Dreifelder-Wirtschaft betrieben, der Eichenwald diente als Viehweide. Im Herbst waren die Eicheln ein beliebtes Futter für die Viehmast. Dank der Tatsache, dass dieses ganze Anwesen bis 1994 in Familienbesitz war, konnte eine Übernutzung der Felder und Abholzung der Eichen verhindert werden. Seither wird eine nachhaltige Landwirtschaft im Einklang mit Naturschutz und Erholung angestrebt und das Gebiet wurde vom Bund als Naturschutzgebiet von nationaler Bedeutung eingestuft. Die Magerwiesen werden nicht gedüngt und erst spät gemäht. Ideale Bedingungen für eine vielfältige und aussergewöhnliche Blumenpracht. U.a. blüht hier das Kleine Knabenkraut.
Und wirklich, der Eichenhain mit den uralten verknorrten Baumstämmen ist einzigartig. Viele von uns sind erstaunt über die weit ausladenden Äste und die grossen Abstände zwischen den Bäumen. Kaum zu glauben, dass diese Äste im Frühling wieder neues Blattwerk bilden. Dazwischen auch viele tote Bäume, die Lebensraum für zahlreiche Käfer, Pilze und Flechten sind. 140 Flechtenarten wurden hier entdeckt und das Gebiet gehört zu den bedeutsamsten Flechtenstandorten der Schweiz. Zudem ist dieser Eichenwald ein Paradies für viele Vögel. Insbesondere für Spechte wie den Mittel-, Klein-, Bunt-, Schwarz-, Grau und Grünspecht, diese finden hier viele Käfer und Larven.
Geraldine und Alain verstehen es wunderbar, das Leben und Gedeihen der hiesigen, über 500 Jahre alten Eichen im Kontext einer kulturhistorischen Zeitreise packend zu vermitteln, einfach grandios!
Weiter geht es zur Mittagsrast am Waldrand: der junge Forstwart vom Arxhof, einem Massnahmenzentrum für junge Erwachsene, erwartet uns am Grillplatz. Hier hat er Tische und Bänke für uns aufgestellt und ein Feuer gemacht. Während dem Essen erfahren wir mehr über den Arxhof, seine Bewohner und die internen Ausbildungsangebote, u.a. Forstwart und Forstwartpraktiker. Arxhof und Naturschutz arbeiten hier oft zusammen.
Nochmals auf dem schmalen Trampelpfad durch den beeindruckenden Eichenhain, letzte Fragen und Fotos.
Diese Exkursion war ein grosses Highlight und wir danken Geraldine, Alain und Herrn Suter ganz herzlich.
Interessante Themen und kompetente Referenten sorgten für eine gelungene Tagung. Diese war zudem sehr gut organisiert und der Ablauf verlief strukturiert. Die Pausen ermöglichten den informellen Austausch und die abwechslungsreiche Verpflegung wurde sehr geschätzt.
Es waren vier intensive Tage mit spannenden Themen, auch für uns Winti Ranger.
Grossen Dank an alle, die zu dieser gelungenen Tagung beigetragen haben
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