Rolf beschreibt das so:
Am Dienstagmorgen früh, traf sich eine gut gelaunte Truppe von 5 Wintirangerinnen und 3 Wintirangern, um 7.15 beim Stadttor am Bahnhof Winterthur. Zuerst wurden die massiv unterschiedlich grossen Gepäckstücke «kritisch» unter die Lupe genommen. 😉
Anschliessend begaben wir uns auf den Perron, wo der ICE nach München pünktlich eintraf. Auf dem Weg nach München wurden die gelben Felder der Bahnlinie entlang bestaunt und entsprechend kommentiert. Dazwischen blühte das drüsige Springkraut nicht zu knapp und auch der böse Knöterich kam vor. Vom Kirschlorbeer und den anderen buschigen Neophyten nicht zu sprechen. Einer ganzen Armee von Wintirangern würde hier die Arbeit nie ausgehen. Im Zug war unschwer festzustellen, dass das Münchner Oktoberfest am Laufen war. Es gab nämlich Bier vom Fass und einige Mitreisende waren schon guter Stimmung.
Pünktlich in München angekommen, nutzten wir den zweistündigen Aufenthalt für ein gemeinsames Mittagessen in der Osteria im Bahnhof.
Auch der Zug nach Berlin fuhr auf die Minute pünktlich los und traf sogar einige Minuten zu früh dort ein.
Das Umsteigen war somit kein Problem im modernen dreistöckigen Bahnhof. Auf der Anzeige wurde vermeldet, dass die S-Bahn, welche uns an unser Ziel in Cottbus bringen sollte, 20 Minuten verspätet sei. Sie fuhr dann allerdings mit 10-minütiger Verspätung los, was uns sehr freute. Nach dem 3. oder 4. Stopp war es dann allerdings vorbei mit der Freude. Zuerst stand sie die längste Zeit und dann begann sie wieder rückwärts zu fahren, was bei uns und einigen Mitreisenden für etwas Unruhe sorgte. Es stellte sich dann aber heraus, dass wir nun in die richtige Richtung unterwegs waren und lediglich eine Baustelle umfahren werden musste. Das Resultat war, dass wir rund 30 Minuten zu spät in Cottbus eintrafen, wo Mario, unser Reiseführer und Betreuer, uns mit einer Schweizerfahne erwartete.
Nach einer herzlichen Begrüssung brachte er uns ins Hotel in der Innenstadt.
Nach einem wohlschmeckenden Nachtessen im Restaurant Mosquito beendeten wir den langen Tag.
Pünktlich um 08.00 Uhr holte uns Mario am Mittwoch mit dem Bus der Naturwacht Brandenburg ab. Zuerst fuhren wir zum Ostsee Projekt, wo ein riesiger künstlicher See in der Grube eines ehemaligen Kohleabbaus entstehen soll. https://cottbuser-ostsee.de
Anschliessend fuhren wir zur Waldschule Kleinsee https://forst.brandenburg.de/lfb/de/themen/waldpaedagogik/waldpaedagogische-einrichtungen/waldschule-kleinsee/, wo uns viel Interessantes zum Thema Wolf vermittelt wurde. Ranger Nico erzählte uns anschaulich, wie sich die Wolfspopulation in Brandenburg entwickelt hat, wo die Probleme liegen und auch wie ein Monitoring funktioniert. D.h. was die Voraussetzungen und Bedingungen sind, dass ein Nachweis auch als solcher gilt und somit in die Statistik einfliesst. https://lfu.brandenburg.de/info/wolf
Nach dem Mittagessen in einem lokalen Restaurant ging es am Nachmittag ins Gelände, genauer gesagt in den TÜP (Truppenübungsplatz) Lieberoser Heide mit einer langen Geschichte von der SS bis zum heutigen Naturschutzgebiet und Fauna Flora Habitat. https://de.wikipedia.org/wiki/Lieberoser_Heide
Hier bestaunten wir nicht nur die uns fremde Landschaft, sondern bekamen von den beiden Rangern Mario und Nico auch viel Wissenswertes vermittelt über die Geschichte und Entwicklung des Gebiets. Anschaulich war das gute und weniger gute Beispiel zweier Kleintierbauern (einmal Schafe und das andere Mal Ziegen) in Bezug auf praktizierten Wolfsschutz. Die Schafherde bestand aus rund 1000 Tieren und war geschützt durch 5 Herdenschutzhunde, einen Flexizaun unter Strom mit je einer Litze am Boden und zuoberst, sorgfältig verlegt. Bei den Ziegen wurde weniger Sorgfalt angewendet. Es fehlte die Litze am Boden und der Zaun lief immer wieder über Heidekraut Stauden, sodass es Öffnungen in Bodennähe gab. Wir konnten dann live erleben wie die Ziegen den Zaun untendurch überwanden. Ziegen draussen, Herdenschutzhunde drinnen und dem Wolf wird das Abendessen auf dem Präsentierteller serviert.
Auf einer der zahlreichen das Gebiet durchziehenden Sandpisten fanden wir dann noch Wolfspuren und Nico erklärte uns anhand des Spurenbilds die Gangart der verschiedenen Wölfe. Schritt, Trab, Galopp, seitwärts Trab, etc.. Hierbei spielt die Schrittlänge und Abfolge eine wichtige Rolle.
Anschliessend fuhren wir zu einem ehemaligen Sovjetbunker im Wald, der von den Sovjets zugeschüttet heute als Fledermaus Winterquartier dient. Im zweiten oder dritten Raum schwirrte uns bereits eine Fledermaus um die Köpfe und wir konnten deren Flugkünste studieren. An der Decke waren Zementsteine montiert. Deren Schlitze dienen den Fledermäusen als Quartier. Eine Mopsfledermaus konnten wir identifizieren. Da es noch etwas früh im Jahr war, waren erst einige wenige der faszinierenden Tiere anzutreffen. So gegen 19.00 Uhr lieferte uns Mario wieder im Hotel ab.
Am Donnerstag ging es wiederum um 08.00 los.
Wir fuhren an die Oder, dem Grenzfluss zu Polen. Auf dem Damm, ähnlich dem Rheindamm in St. Galler Rheintal, der das Überschwemmungsgebiet vom Kultur- und Siedlungsraum trennt und als Radweg dient, folgten wir über mehrere Kilometer dem Fluss. Die Weite der Landschaft ist hier wiederum beeindruckend. Neben «normalen» Krähen sahen wir hier, Nebelkrähen, Kolkraben, Graureiher, Silberreiher, Kraniche, Gänse und als Höhepunkt zweimal einen Seeadler. Ein eindrucksvolles Tier.
Beim einzigen Barockkloster in Brandenburg, Kloster Neuzelle, https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Neuzelle trafen wir dann wieder Nico und Jotam, einen israelischen Rangerkollegen, der unsere deutschen Kollegen besuchte und nördlich von Berlin Naturwissenschaft studiert. Nach einer kurzen Besichtigung fuhren wir zum Naturpark Schlaubetal. https://de.wikipedia.org/wiki/Schlaubetal oder https://www.schlaubetal-naturpark.de. Auf einer kurzen Wanderung folgten wir auf dem Rückweg dem malerischen, weitgehend naturbelassenen Flüsschen. Das Mittagessen in einem Gasthof rundete diesen Besuch ab.
Auf dem Rückweg besuchten wir noch die grösste Wüste Deutschlands, welche ebenfalls auf dem TÜP Lieberose liegt. https://de.wikipedia.org/wiki/Lieberoser_Wüste
Zurück in Cottbus statteten wir noch dem Branitzer oder Fürst-Pückler-Park einen Besuch ab. https://de.wikipedia.org/wiki/Branitzer_Park. Dieser Park ist von A – Z gestaltet, obwohl es nicht so aussieht und bestimmt einen Besuch wert.
Jetzt ging es via einen kurzen Stopp in einem Supermarkt zum Haus von Mario, wo wir zum Nachtessen eingeladen waren. Anwesende war nun u.a. auch Ranger Ralf mit seiner Frau Kerstin und deren Enkelin, sowie der Sohn von Mario mit Freundin Meike. Sofort entwickelten sich lebhafte Gespräche und es wurde viel gelacht. Nur als das Essen gebracht wurde, herrschte für eine kurze Zeit fast andächtige Stille. Der Wildschwein Haxen schmeckte vorzüglich und das dazu servierte Sauerkraut war herrlich. Mir läuft noch heute das Wasser im Mund zusammen;-). Kerstins Chinakohlsalat war dann das Tüpfelchen auf dem i. Bier floss reichlich und als Mario dann noch Appenzeller Alpenbitter auffuhr, war der Abend vollends perfekt. So gegen Mitternacht hiess es dann Abschied nehmen und ein Freund von Mario brachte uns in 2 Fuhren zurück zum Hotel.
Nach dem fröhlichen Abend war die Abfahrt für den folgenden Tag auf 8.30 angesetzt. Heute fuhren wir in den Spreewald, eine historische Kulturlandschaft die heute ein Biosphärenreservat ist https://de.wikipedia.org/wiki/Spreewald. Dort trafen wir wiederum auf Nico, Ralf mit Familie und Ranger Alex. Bei der Ankunft nieselte es noch etwas, sodass schon befürchtet wurde, dass wir ordentlich nass werden könnten auf der geplanten Kahnfahrt. Petrus hatte aber sein Einsehen mit uns. Der Kahn wurde bereit gemacht, Bier, Kaffee, Kuchen und Passagiere geladen und schon steuerte uns Alex mit dem Stachen souverän durch die malerischen Kanäle. Ralf fungierte hierbei als Navigator. Die totale Länge der befahrbaren Kanäle beträgt ca. 150 km womit es durchaus sein könnte, dass man sich verfährt. Bei der zweiten Schleuse musste gewendet werden, da diese klemmte. Für Steuermann und Navigator war das aber kein Problem und so machten wir einen kleinen Umweg. Auf der Fahrt begegneten uns 3 Rehe, eines davon noch ein Kitz. Auch ein Eichhörnchen nahm vor uns Reissaus. Nach rund zweieinhalb Stunden landeten wir wieder am Ausgangspunkt in Burg an.
Kaum hatten wir im nahe gelegenen Restaurant Platz genommen, regnete es in Strömen.
Auf der Rückreise nach Cottbus besuchten wir noch das Informationszentrum der Naturwacht Brandenburg. Hier erklärte uns Ralf noch einmal die Entstehung und das Ausmass des Spreewalds. Auch individuell konnten wir die informative Ausstellung besuchen.
Nun hiess es Abschied nehmen von den lieben Kollegen der Naturwacht und dem israelischen Ranger, was niemandem leicht fiel, hatten wir doch alle zusammen viel Interessantes gesehen und erlebt.
Ein Kurzbesuch in einer Gurkenmanufaktur durfte nicht fehlen. Dort konnten die berühmten Spreewald Gurken, sowie Meerrettich und diverse andere Köstlichkeiten gekauft werden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Spreewälder_Gurken
Mit Mario fuhren wir noch zum Tagebau Jänschwalde einem eindrücklichen Loch in der Landschaft wo Braunkohle abgebaut wird. https://de.wikipedia.org/wiki/Tagebau_Jänschwalde. Leider war die Anlage seit dem 1. September 2019 vorübergehend stillgelegt, da ein Umweltbericht nicht fristgerecht eingereicht worden ist. Die Abraumförderbrücke F60, die grösste der Welt, ist mit ihrer Spannweite von rund 500 Metern trotzdem sehr eindrucksvoll. Zurück im Hotel waren wir alle ziemlich müde, sodass es nicht einmal alle zum Nachtessen schafften. Zeitig ging es somit zu Bett.
Um 7.20 Stand Mario am Samstag wieder bereit um uns zum Bahnhof zu chauffieren. Der Abschied von ihm fiel uns allen schwer. Wir werden seinen Witz und Humor vermissen.
Die Zugfahrt von Cottbus nach Berlin verlief ereignislos und wir trafen pünktlich in Berlin Hbf ein. Kurz vor der Weiterfahrt ab Berlin kam noch etwas Hektik auf. Hatten doch 3 unserer Damen noch die Toilette aufgesucht. Zwei waren zeitig zurück und vermeldeten, dass die Dritte auf dem Weg sei, sie hätte anstelle des Lifts die Treppe genommen und wisse, dass unser Zug auf Gleis 4 und unsere Sitzplätze im Wagen 4 auf uns warteten. Sekunden vor der Abfahrt telefonierte dann Max mit ihr und man kam zur Feststellung, dass sie bereits unterwegs sei, es aber keinen Wagen 4 gebe. Also wohl im falschen Zug. Ihr Gepäck im Zug bei uns machte sich schon mit dem Umstand bekannt, alleine zu reisen. Beim übernächsten Stopp, noch immer in Berlin (Spandau) schauten wir aus dem Fenster und wer stand da? Die Vermisste. Coni reagierte sofort, sprintete nach draussen und brachte sie wohlbehalten an Bord. Man kann sich vorstellen wie gross die allgemeine Erleichterung war.
Was war passiert? 1. Falscher Zug. 2. Realisiert, dass sie zurück zum Hbf musste und daher ausgestiegen. 3. Auf der Anzeige gesehen, dass der nächste Zug derjenige nach Interlaken Ost sein müsste und gehofft, dass sie uns in diesem antreffen würde.
Ohne weitere Vorkommnisse erreichten wir via Olten um ca. 20.00 Winterthur.
Vielen Dank an die 7 Mitreisenden für die angenehme und interessante Begleitung.
Vielen herzlichen Dank auch an Mario und seine Rangerkollegen für die uns gewährte Gastfreundschaft und perfekte Umsorgung und Betreuung. Marios humoristische Kommentare und Erklärungen werden uns fehlen. Nico, dir auch speziellen Dank für die immer äusserst sachlichen und informativen Ausführungen. Dein immenses Wissen, speziell zum Wolf, ist beeindruckend. Ralf und Alex, vielen Dank für den Spreewald-Ausflug. Es hat uns allen sehr gefallen bei euch und Ihr habt beste Werbung für Brandenburg und den Naturschutz gemacht.
Wir freuen uns schon auf einen hoffentlich baldigen Gegenbesuch bei uns Wintirangern.
Ergänzend die Meinungen der anderen Teilnehmenden:
Judith meint: „Ich habe nun schon zum 2. Mal die weite Reise nach Cottbus unternommen. Wieder erlebte ich die herzliche Aufnahme durch all die Ranger. Sie nahmen sich sehr viel Zeit um uns durch ihr riesiges Aufgabengebiet zu führen, alles zu erklären und zu zeigen. Die Informationen über den Wolf und wie sie diese in ihren Arbeitsalltag integrieren hat mich beeindruckt. Es ist mir wieder bewusst worden, welch riesige Arbeit die wenigen Ranger zu bewältigen haben. Und ich habe wieder besser verstanden warum Mario sagt: ein Ranger fährt mit dem Auto wo immer er kann. Zu Fuss oder mit dem Velo wäre es gar nicht zu schaffen, das ganze Gebiet zu erfassen.
Die Tage waren von morgens bis abends sehr ausgefüllt mit vielen Eindrücken, Informationen und tollen Naturerlebnissen. Der Bunker mit den Fledermäusen hat mich wieder sehr beeindruckt.
Ich bin sehr erfüllt und dankbar wieder zurück in meiner Welt angekommen. Diese Tage im Spreewald und Schlaubetal waren einfach toll, auch mit den mitreisenden Wintirangern.“
Auch Katrin hat es gefallen: „Ich durfte nicht nur viel über die Wölfe, ihre Lebensweise und Verhalten erfahren, sondern allumfassend über die Natur und ihre Besonderheiten im Schlaubetal und dem Spreewald. Die riesigen Felder, Wälder, Wiesen, Strassen 10 km schnurgerade beeindruckten mich sehr. Doch auch der authentische Bericht von Mario und seinen Kollegen über die Sichtweise ihrer Mitmenschen, die teilweise prekäre wirtschaftliche Situation und ihr Verhalten gegenüber der Natur hinterlassen bei mir unvergessliche und wunderschöne Momente.“
Max mag solche Begegnungen sowieso: „Zwei lange Reisetage ohne Langeweile und drei interessante Bildungstage bei tollen und sehr erfahrenen, humorvollen Rangern im Schlaubetal und Spreewald, was will man mehr? Vieles ist oben schon gesagt und beschrieben, mir bleibt deshalb nur noch allen Beteiligten zu danken!“
Schön war es gewesen. Vielen Dank für Euren Besuch, den netten und anregenden Austausch mit Euch.Insbesondere für das informative Austauschen zur Organisation und das „Händling“ miteinander bin ich besonders dankbar, das hilft uns sehr weiter. Solch ein Austausch, auch nach Feierabend, ist einfach Gold wert.
Ganz liebe Grüße an Euch alle.
Bis zu einem nächsten Treffen bei einer nächsten Veranstaltung
Lieber Nico
Ich glaube, dass dieser Austausch unter Gleichgesinnten einmalig gewesen ist. Wir durften sehr viel über den NP Schlaubetal erfahren. Im Wissen, dass wir selber auf den Spuren des Wolfes gewandert sind, war genial.
Eindrücklich ist die Tatsache aus Schweizer Sicht, dass euer Naturpark mit 227km2 um einiges grösser ist, als unser „Heiligtum“ (Schweizer Nationalpark) im Kanton Graubünden. Aus meiner Sicht haben es die Volunteers im Schlaubetal viel schwieriger um ihre Einsätze auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Wir Wintirangers haben keine eigentlichen Spezialisten unter uns, darum verrichten wir unsere Einsätze in den Wäldern gemeinsam und saisonal ausgerichtet.
Herzlichen Dank an euch alle und hoffentlich bis Anfang Oktober 2020 bei uns in Winterthur.
Gruss Max