(Autorin: Damaris Baechi)
Endlich! Endlich! Endlich! Auf diesen vierten und letzten Ausbildungstag zum Thema Tiere und Jagd hatte ich mich gefreut. Ich entschuldige mich an dieser Stelle bei allen Lesern für die lange Wartezeit, denn bei mir herrschte zu dem Zeitpunkt bei der Arbeit ein Tohuwabohu, das sich mittlerweile langsam, aber sicher verflüchtigt. Am Mittwoch, dem 24. Oktober 2018 versammelten wir uns beim Parkplatz vom Wildpark Bruderhaus. Gleich zur Begrüssung verteilte uns Gregor Strassenkarten der Stadt Winterthur, die uns bei künftigen Einsätzen sicher nützlich sein wird. Während wir zu den Gehegen der Mufflons und Przewalski-Pferde liefen, hörten wir diverse Vogelstimmen von Krähen, Kolkraben, Dohlen und Rotkehlchen und Gregor weihte uns in das interessante Leben der Vogelwelt ein – für mich eine kleine Auffrischung zur Primarschule, wo wir dieses Thema ausführlich behandelten.
Wenn es um Tiere und Jagd geht, ist unser Forstwart und Winti Ranger-Kollege Giovanni Filippin der Experte und gab uns zu jedem Wildtier jede Menge nützliche Informationen weiter. Bei den Mufflons handelt es sich um Wildschafe, die grösstenteils hier in Mitteleuropa vorkommen und auffällig schneckenförmig eingedrehte Hörner aufweisen (schon oft habe ich mich gefragt, warum diese Tiere eigentlich Mufflon heissen, etwa weil sie so streng miefen?). Im Bruderhaus wurde das Gehege der Mufflon so umgebaut, dass sie über eine Brücke zum 19‘000 Quadratmeter grossen Gemeinschaftsgehege mit den Przewalski-Pferden bewegen können. Die Przewalski-Pferde, die uns Parkbesucher seit 1991 beglücken, bevorzugen Grasland, Steppen und Halbwüsten als ihren Lebensraum, sie sind die letzte noch lebende echte Wildpferdeart und stammen ursprünglich aus Zentralasien. Seit 1997 beteiligt sich der Wildpark an einem Wiederansiedlungsprojekt der Ur-Pferde in der Wüste Gobi. Mehrere Tiere konnten bereits erfolgreich ausgewildert werden.
Wir gingen weiter zum Wolfgehege. Kein anderes Tier in unseren Breitengraden löste in den letzten Jahren so viele Kontroversen aus wie der Wolf seit er unsere Wälder wieder erobert. Ob das zweitgrösste Raubtier Europas für Menschen und Nutztiere zur Gefahr wird, da gehen die Meinungen weit auseinander. Allfällige Angriffe sind nicht zuletzt auf das Fehlverhalten des Menschen zurückzuführen. Fressen Wölfe Menschen? Dies entspringt eher einer abenteuerlichen Lektüre von Jack London… Wie Nutztiere ordentlich geschützt werden können, ist sicherlich eine Frage der Möglichkeiten – zum Beispiel mit Weidezäunen oder Schäferhunden. Für unser Ökosystem kann der Wolf von Nutzen sein, wenn es um die Überpopulation von Rot- und Rehwild sowie Wildschweinen geht. Und dennoch ist die Rückkehr des Wolfes in Mitteleuropa kritisch zu sehen. Unsere Wölfe hinter den hohen Holz- und Maschendrat-Zäunen leben seit 2008 im Wildpark und geniessen ein Leben mit Nichtstun und Fressen. Mittlerweile leben die Leittiere nicht mehr und die Zukunft der derzeit vorhandenen Wölfe ist ungewiss – Giovanni, korrigiere mich bitte, falls ich einen Seich erzähle…
Auf dem Weg zu den Rothirschen hielten wir vor einem grossen Insektenhotel, das am Waldtag im Sommer errichtet wurde. Gregor und Marc erklärten uns wie wichtig Insekten für das Gleichgewicht unseres Ökosystems sind. Leider haben es diese immer schwerer, denn Pestizide, abnehmender Lebensraum, gentechnisch-veränderte Organismen (GVO) und Krankheiten machen ihnen zu schaffen. Hier wäre Druck auf Politik und Grosskonzerne angebracht, um dem Insektensterben entgegen zu treten. Insekten dienen nicht nur der geschlechtlichen Vermehrung von Obstbaum und Co., sie sind auch Nahrungsgrundlage für Vögel, Spinnen usw. Ich persönlich überlege mir, ein solches Insektenhotel für meinen Balkongarten anzuschaffen, damit Bienen und Hummeln meine Avocado-Bäumchen bestäuben können – für ein bisschen Artenvielfalt auf dem Balkon J
Die Rothirsche, auch Rotwild genannt, sind seit 1891 im Bruderhaus und durchstreifen auch ausserhalb des Wildparks unsere Wälder. Im 19. Jahrhundert beinahe ausgerottet, haben sich die Bestände in Europa wieder erholt. Rothirsche leben im Rudel, wobei das Mutter- bzw. Alttier das Rudel anführt. Die männlichen Tiere bilden von Frühjahr bis Sommer Hirschrudel und fressen sich in dieser Zeit Fettreserven für die Brunftzeit an, wo die Hirsche um das «Kahlwild» (Hirschkühe) buhlen. Nach den Kämpfen verbleiben die Sieger – die «Platzhirsche» – bei ihrem Harem. Rothirsche bevorzugen eigentlich halboffene Landschaften wie beispielsweise verlassene Truppenübungsplätze in der Lausitz, bei uns vor allem grosse Waldgebiete. Rothirsche wie Rehe können sowohl in der Forst- wie auch in der Landwirtschaft grosse Schäden anrichten. Im Wald zählen die Tannenknospen zur Delikatesse. Als ich im Februar 2017 bei einem Winzerbetrieb in Maienfeld eine Schnupperlehre absolvierte, waren jede Menge Spuren von Rotwild sichtbar. Wie mir der Winzer, der auch als Jäger tätig ist, erklärte, kommen Hirsche und Rehe gerne ins Tal und knabbern die Rebtriebe ab. Die Rebberge angemessen zu schützen ist relativ schwierig – Hirsche sind clever!
Während wir bei der Rothirsch-Infotafel standen, konnten wir zusehen, wie ein einsamer Rotmilan von einem Schwarm Krähen verfolgt und vertrieben wurde. Es war jedoch interessant mitanzusehen, wie der grosse Greifvogel geschickt und elegant der schwarzen Meute auswich. Weiter ging’s zu den Wildschweinen, die uns von weitem neugierig beäugten. Im Wald lockern sie den Boden auf, was in der Forstwirtschaft willkommen ist. In der Landwirtschaft hingegen – vor allem in Mais- und Getreidefeldern – richten Wildschweine, da Allesfresser, grosse Schäden an, was sogar zu Ernteausfällen führen kann. Ein weiterer Konfliktpunkt ist der Verkehr. Es kann vorkommen, dass Wildschweinrotten sich auf Autobahnen verirren – ja, auch in der Schweiz! Deshalb müssen die Bestände mittels Jagd reguliert werden. Eine Bache (weibliches Tier) kann bis zu sieben Jungtiere werfen (auch wenn die Sterblichkeit hoch ist). Bei der Tragezeit gibt es eine Regel: drei Monate, drei Wochen, drei Tage. Wenn die klimatischen Bedingungen sowie Nahrungsangebot stimmen, ist das Überleben der Frischlinge so gut wie sicher. Wildschweine sind recht soziale Tiere, denn die Jungtiere (besonders die weiblichen), selbst die Überläufer, einjährige Jungtiere, bleiben noch lange bei der Leitbache. Keiler (Männchen) leben hingegen eher einzelgängerisch. In der Regel sind Wildschweine ungefährlich und besitzen eine natürliche Scheu vor uns Menschen, weshalb sie nachtaktiv sind und sich tagsüber im Dickicht verstecken. ABER: Haben Bachen Frischlinge zu versorgen und stellt man sich zwischen sie und die Jungtiere, kann es gut sein, dass man von der Sau umgerannt wird, deshalb sollte man Abstand zu der Rotte halten und auf die Warnsignale der Bache, meist Schnauben, achten. Keiler sind während der Paarungszeit im November aggressiv oder wenn sie wegen einer (Schuss)Verletzung Schmerzen leiden und können Menschen mit ihren scharfen Eckzähnen (in der Jägersprache «Gewaff» genannt) schwer bis tödlich verletzen. Deshalb sollte man sich dem Schwarzwild nicht nähern – und erst recht nicht füttern!
Wir bewegten uns langsam Richtung Altholzinsel in der Nähe des Windelwanderwegs, ein Bereich, der für Spaziergänger abgesperrt ist. Hier lässt Stadtgrün bewusst alte und tote Bäume liegen, um die Vielfalt und das Überleben der Organismen und Tierarten zu fördern. Fledermaus, Schwarzspecht und Co. freut das. Auch wurden an einzelnen Bäumen Nistkästen für Dohlen aufgehängt. Beim Windelwanderweg gibt es, etwas versteckt, eine überdachte Plattform, von wo man das Geschehen auf der Altholzinsel beobachten kann – sofern sich dort Tiere blicken lassen. Während wir unseren Rundgang machen, ging Giovanni zur grossen Grillstelle, um ein Feuer zu machen, denn die Mittagszeit rückte näher.
Nach dem Mittagessen und interessanten Gesprächen liefen wir zur Langriemenstrasse und bogen in die Mittlere Hangentobelstrasse ein. Dort standen Jagdhochsitze, weil man von da aus einen sehr guten Überblick hat. Hinzu kam, dass – wie wir später zu sehen bekamen – Spuren von Wildschweinen in der Nähe waren. Diese befanden sich in den Maschinenwegen, der umgewühlte Boden, die Suhlen und die Hufspuren verrieten es (Wildschweine sind Paarhufer). Ich hätte früher nicht gedacht, dass im Eschenberg so viele Wildsauen vorhanden sind (die ich ein paar Wochen später noch zu Gesicht bekommen werde…). Wir bogen bei der Holzhütte in die Rietstrasse ein, wo uns Gregor verbissene Tannen zeigte. Ein bisschen Repetition vom ersten Ausbildungstag bezüglich Nadelgehölze gab’s auch noch; die Unterschiede zwischen Fichte, Tanne, Douglasie, Lärche und Kiefer – Kiefer, nicht Kiffer 😉 Irgendwann standen wir wieder im Wildpark, wo unser letzter Ausbildungstag zu Ende ging. Alles in allem war das – meiner Meinung nach – der interessanteste Tag. Aber es würde noch besser kommen – als ich Ende November und Mitte Dezember bei der Drückjagd teilnahm…
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